Rabiat by Y-Kollektiv: Drogenrepublik Deutschland | Video der Sendung vom 30.04.2018 22:45 Uhr (30.4.2018) mit Untertitel
Drogenrepublik Deutschland
Es ist kurz vor Mitternacht, Hendrik zieht die erste Line Speed. Auf dem Wohnzimmertisch stehen ein paar Flaschen Bier, der Aschenbecher qualmt. Daneben ein Tütchen mit bunten Pillen und zwei weitere mit kristallinem Pulver. Speed, MDMA, Ecstasy - das gehört für Hendrik und seine Freunde zu einer guten Partynacht dazu. Und die startet gewöhnlich zu Hause. Vier Stunden später werden sie im Club die erste Pille teilen. "Jetzt gleich Augen zu und tanzen" - Urlaub im Kopf. "Das macht einen oberglücklich, es ist alles so schön und man mag alle umarmen." Hendrik ist Mitte 30, Akademiker. Er ist reflektiert, steht mitten im Leben - und nimmt gern chemische Drogen. Alle ein, zwei Monate tanzt er in einem Berliner Elektroclub mit seinen Freunden bis zum nächsten Mittag. Dass er kein Einzelfall ist, zeigen die Ergebnisse der Global Drug Survey, der weltgrößten Drogenumfrage, bei der auch 2017 wieder über ein Drittel der Teilnehmer angab: "Ja, ich nehme Drogen." Mehr als die Hälfte der Konsumenten hatte im vergangenen Jahr gekifft, jeder vierte schluckte Ecstasy oder schnupfte MDMA, zwölf Prozent koksten. Dennoch gelten gerade chemische Drogen weiterhin als Teufelszeug. Einmal genommen, schon in der Abwärtsspirale. Wer Drogen nimmt wird abgestempelt, denn Drogen haben ein hohes Suchtpotential. Aber wird jeder, der Drogen nimmt, auch süchtig? "Man kann Drogen auch verantwortungsvoll nehmen", sagt Hendrik. Stimmt das? Velcro ist 21, Youtuber, er spricht auf einem eigenen Kanal über seine Drogenerfahrungen und hat damit ein Millionenpublikum erreicht. Seitdem er 17 Jahre alt ist, probiert er sich munter durch psychoaktive Substanzen. Er war fasziniert davon, wie man mit den Drogen, die er einfach im Internet bestellte, sein Bewusstsein erweitern kann. Doch sein Bewusstsein hat das viele Experimentieren nicht gut verkraftet. "Danach, als ich das abgesetzt hatte, gab's auch schon - weil ich so hohe Mengen konsumiert hatte - da gab's Entzugserscheinungen. Starke Depressionen, die schlimm waren, ekelhafte. Dann kam so 'ne Woche mit: O.k., kann sein, dass ich mich jetzt umbringe." Auch Kelvin hat schon einige Substanzen ausprobiert. Zur Selbsttherapie. Der 33-Jährige leidet an Depressionen und bisher hat kein Medikament richtig gewirkt. Ohne Cannabis oder andere illegale Substanzen wäre sein Leben oftmals die Hölle, sagt er. Er steht mit seinem Konsum immer auch mit einem Bein im Knast. Deshalb wünscht er sich eine andere Drogenpolitik. Eine Entkriminalisierung der Konsumenten sei längst überfällig. In der "Rabiat"-Reportage "Drogenrepublik Deutschland" geht Anne Thiele der Frage nach, warum Menschen Drogen nehmen. Ist der chemische Rausch immer nur schlecht? Können Drogen gar verantwortungsvoll genommen werden, vielleicht sogar bereichernd sein? Wie gefährlich sind Drogen und welche Folgen hat der Drogenkonsum?
Bild: Radio Bremen / Andy Lehmann